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LR-Online - 07.04.2015

Am Ende die Hoffnung

Uwe Schwarz schreibt über den Lebensweg seines jüdischen Vaters

Cottbus/Schlieben "Gewidmet meinen in Litauen 1941 bis 1944 ermordeten Großeltern Sarah-Esther und Abraham, allen Familienangehörigen, die ich nie kennenlernen durfte, und meinem Vater Peter." So lauten die ersten Worte, welche Uwe Schwarz der Geschichte voranstellt, die er in seinem Buch "Von Wilna nach Schlieben" niederschreibt.

Wenn dies die Familiengeschichte eines Prominenten wäre – egal ob Profifußballer, weltberühmter Schauspieler oder Politiker – das Buch würde vermutlich schon vor seinem Erscheinen gleichermaßen gefeiert und kritisiert werden. Uwe Schwarz ist jedoch ein ganz "normaler" Mensch, ein zweifacher Familienvater, der in Cottbus lebt. Er ist aufgewachsen in Schlieben, im Elbe-Elster-Kreis, arbeitet in einem Wohnheim für Auszubildende.

Wenn an dieser Stelle Neugier geweckt werden soll für sein Buch, dann vor allem deswegen, weil Uwe Schwarz vieles bisher Unverständliche aus der deutsch-israelischen Beziehung hinterfragt. Er macht es auf eine Weise, wie es in der jüngeren deutschen Literatur nur selten dokumentiert ist. Zumindest nicht von jemanden, der kein Schriftsteller ist: "Es ist die Geschichte des Vaters, die den Sohn nicht loslässt", so beschreibt Stephanie Kammer, Inhaberin des Herzberger Verlages "BücherKammer", die Motivation des Autors: "Die Geschichte zieht sich durch Europa und durch ein ganzes Jahrhundert. Sie kommt unserer Region, der Lausitz und dem Elbe-Elster-Kreis besonders nahe, so dass man eher über sie schweigen möchte, als sie Wort für Wort zu erzählen." Nach dem Lesen des Manuskripts hat sich Stephanie Kammer sehr gern auf die Zusammenarbeit mit Uwe Schwarz eingelassen. Das Lektorat hat Gert Schlue übernommen, ein Cottbuser Journalist, der die Verhältnisse in Schlieben aus eigenem Erleben gut kennt. Vor wenigen Tagen ist das 200 Seiten umfassende Buch erschienen und jetzt im Fachhandel erhältlich.

Nichts macht Menschen neugieriger als das Schweigen innerhalb der Familie, als Andeutungen und selten gewährte Nachfragen, die knapp beantwortet, noch mehr Fragen aufwerfen. "In meinem Kopf gab es massenhaft Fragen und nur wenig klärende Antworten", sagt Uwe Schwarz. Er wusste von Kindheit an: In Schlieben-Berga befand sich ein Lager. Sein Vater war dort während des Krieges als "antifaschistischer Gegner des Hitlerkrieges" inhaftiert. Über Einzelheiten, was genau in dem Außenlager des KZ Buchenwald geschah, was Einheimische über die mörderische Zwangsarbeit für den Hasag-Rüstungskonzern wussten – dazu wurde zu DDR-Zeiten und auch noch lange nach der Wende geschwiegen.

Peter Schwarz hatte seine eigenen Befindlichkeiten, dies zu tun. Er sprach auch kaum darüber, dass er Jude und Überlebender des Holocausts war. "Die seelischen Wunden und der Schmerz über den Verlust der Herkunftsfamilie schienen zu groß", sagt der Sohn. Er mutmaßt: "Wahrscheinlich verschloss ihm auch die quälende Frage, warum gerade er überleben konnte, den Mund." Erst in seinen letzten Lebensjahren begann der Vater, behutsam gestellte Fragen zu beantworten. Uwe Schwarz nennt diese Gespräche "kostbare Erinnerungen". Nach dem Tod von Peter Schwarz im Jahr 1987 wurden sie Ausgangspunkt für aufwändige Recherchen: in deutschen Archiven, in den USA, Litauen und Israel. "Ich lernte Menschen kennen – persönlich und über das Internet – von denen mich einige sehr berührten." Er erzählt von Reglindis Rauca, Enkelin eines SS-Hauptscharführers. Ihr Großvater war in führender Position an der Ermordung der jüdischen Bevölkerung in Litauen beteiligt. "Auch meine Großeltern waren darunter. Sollte ich sie also hassen? Sie hat ebenfalls ihre Familiengeschichte aufgearbeitet."

Überhaupt klingt niemals Hass aus den Worten von Uwe Schwarz, seine Worte schwingen liebevoll, wenn es um seine Familie geht. "Er liefert außerdem seltene Innenansichten über den Lageralltag in Majdanek, Skarzysko-Kamienna, Buchenwald und Schlieben, Schreckensorte, die sein Vater überlebt hat", fasst die Verlegerin Kammer zusammen.

1945, nach der Befreiung, versuchte Peter Schwarz vergeblich, nach Litauen zu gelangen, um Spuren seiner Familie zu finden. "Er hat nie erfahren, dass einige Geschwister tatsächlich überlebt haben. Diese wiederum vermuteten ihren Bruder unter den Toten", macht sein Sohn die Tragik der Familiengeschichte deutlich. Im Zuge seiner Recherchen reist Uwe Schwarz 1996 mit seinen Söhnen nach Israel. Dort trifft er Michla, die hochbetagte Schwester seines Vaters. Schon zuvor gab es Briefkontakt, aus dem klar wurde, dass ihre Familie nicht nachvollziehen kann, warum Peter ausgerechnet in Schlieben, geblieben ist, unweit jenes Ortes, der ihm "die Hölle" war und warum er eine Deutsche geheiratet hat. Dennoch werden Uwe Schwarz und seine Kinder freundlich empfangen. Ein Foto auf der letzten Seite des Buches zeugt davon. Er beschreibt es wie folgt: "Michla umfasst beide Kinder, lächelt warmherzig. Vielleicht war ihr in diesem Moment bewusst, dass sie ein Stück ihres so geliebten Bruders in den Armen hält. Das bleibt."

Für den 10. April, 19 Uhr, lädt der Autor zu einer Buchvorstellung in die Herzberger "BücherKammer" ein. Der Eintritt ist frei. Anmeldung erbeten unter Telefon 03535 248779.

Uwe Scharz - Buch über Schlieben-Berga
Uwe Schwarz hält ein Dokument seines Vaters und Fotos seiner Familie in den Händen.
Foto: Gabi Zahn/gzn1

Gabi Zahn

 
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