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LR-Online - 27.01.2015

Die letzten Tage im Konzentrationslager Schlieben-Berga

Ein Überlebender erinnert sich an seinen schweren Weg durch den Holocaust / Gedenkveranstaltungen zur Befreiung von Häftlingen auch in der Lausitz

Cottbus Im Konzentrationslager Schlieben-Berga im Elbe-Elsterland sind Tausende gestorben. Berek Gomolinski wurde aus seiner polnischen Heimat in das Lager verschleppt. Sein Mut und glückliche Fügungen sorgten dafür, dass er heute als Überlebender berichten kann.


Gomolinski (vorn) bei einem Besuch in Schlieben 2011.
Jetzt berichtete er der RUNDSCHAU am Telefon von seiner Befreiung. Foto: gzn

Als die Rote Armee im April des Jahres 1945 immer weiter vorrückte, gab es den Befehl, das Außenlager des KZ Buchenwald in Schlieben zu räumen. Einer Befreiung der Gefangenen in dem Arbeitslager wollte die KZ-Führung unbedingt zuvorkommen. Die Häftlinge wurden mit Gefangenentransporten nach Theresienstadt geschickt. Berek Gomolinski war einer der vielen, die so Mitte April das Lager in Eisenbahnwaggons verließen. Unterwegs wurden immer wieder Häftlinge als Arbeitskräfte aus dem Zug geholt. So musste auch der damals 20-jährige Berek Gomolinski in der Nähe von Bautzen aussteigen.
"Nachts haben wir in einer Scheune geschlafen", beschreibt der heute 90-Jährige seine letzten Stunden in Gefangenschaft, denn schon am nächsten Morgen war er frei. Aus Angst davor, von der vorrückenden Roten Armee gefangen genommen zu werden, verschwanden die Soldaten, die die Häftlinge bewacht hatten, im Schutz der Dunkelheit.
Am Morgen wagten die Männer schließlich einen Blick aus der Scheune. "Da wussten wir, wir waren frei. Hach, das war ein wunderbares Gefühl", sagt der Überlebende und atmet so tief ein, dass man die Erleichterung von damals noch heute deutlich spüren kann. Alles, was seine Bewacher zurückgelassen haben, war eine Kiste voller Handgranaten. Eine Befreiung der Häftlinge in jedem Fall verhindern – auch durch ihren Tod – das war ihr Auftrag. "Die Soldaten hatten wohl Mitleid mit uns", flüstert Berek Gomolinski.
Bei seiner Befreiung ist Gomolinski abgemagert, muss erst zu Kräften kommen. Dann macht er sich auf die Reise. Die Suche nach seiner Familie führte quer durch Europa – Prag, sein polnischer Heimatort Piotrkow, Theresienstadt, Berlin, Bergen-Belsen. "Ich habe immer gesucht und doch nichts gefunden. Ich war allein", sagt er über diese Zeit. Seine Mutter und drei seiner Schwestern wurden in Polen bei einer Massenhinrichtung erschossen. Sein Bruder und sein Vater starben später im Konzentrationslager.
Ohne Einkommen, Wohnung und Familie ist das Leben für den jüdischen Berek Gomolinski in Deutschland perspektivlos. Er wandert in die USA aus und baut sich dort ein neues Leben auf. Mit Familie und einer eigenen Tischlerei. "Niemand hat mir je etwas geschenkt. Ich habe alles mit meinen eigenen Händen erarbeitet", sagt Gomolinski, der heute in New Jersey wohnt.
Dass er überhaupt mit dem Leben davon kam, gleicht einem Wunder. Von den Nationalsozialisten wurde er aus seiner Heimatstadt Piotrkow (südlich von Lodz) nach Schlieben-Berga verschleppt, in das drittgrößte Außenlager des KZ Buchenwald. Dort musste er für die Hasag, einen Rüstungskonzern im Dritten Reich, arbeiten. Im Werk des Lagers hat er mit nackten Füßen und ohne Atemschutzmaske die Köpfe der Panzerfäuste mit extrem giftigen und erhitzten Chemikalien gefüllt. Gearbeitet wurde zwölf Stunden am Tag, an sieben Tagen in der Woche. "Als erstes wurden die Füße dick. Dann sind die Giftstoffe weiter nach oben bis ins Herz gewandert. Viele sind daran schnell gestorben", sagt Berek Gomolinski. Häftlinge, die in diesem Bereich des Werkes arbeiteten, überlebten oft keine drei Monate.
Doch er schaffte es heraus aus der todbringenden Produktion. Eine Explosion im Lager im Oktober 1944 tötete fast 100 Häftlinge. Ihm jedoch rettete sie das Leben. Denn für den Wideraufbau nach dem Unfall brauchte man Tischler. Ein Handwerk, das Berek Gomolinski schon früh von seinem Vater gelernt hatte. Um den Giftgasen zu entkommen, suchte er mutig das Gespräch mit der Lagerleitung, um von seinen Fähigkeiten zu berichten.
Fortan arbeitete er beim Wiederaufbau, kletterte dafür auf die Dächer der Holzbaracken, um dort Arbeiten zu erledigen. Auch diese Arbeit war gefährlich, jedoch wurden die Häftlinge in diesem Bereich etwas besser behandelt. Schließlich war man auf ihre Fähigkeiten angewiesen, um eine weitere Produktion nicht zu gefährden. So konnte der damals 20-Jährige sein Überleben sichern.
Linda Haazipolo

 
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