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ND - 30.04.2011

Zum Bau der Panzerfaust gezwungen

Verein eröffnet in Schlieben-Berga eine Gedenkstätte für ein Außenlager des KZ Buchenwald

Im KZ Buchenwald hatte Istvan Katona keinen Namen mehr. Er sei nur noch Nummer 87 654 gewesen, erinnert er sich. Der ungarische Jude überlebte das Außenlager in Schiebens Ortsteil Berga (Elbe-Elster). Er ist froh, dass es Menschen gibt, die in dem südbrandenburgischen Ort dafür sorgen wollen, dass diese Stätte des Schreckens nicht vergessen wird.

Am heutigen Sonnabend um 10 Uhr eröffnet Finanzminister Helmuth Markov (LINKE) eine Gedenkstätte. Sie ist untergebracht in einem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Rüstungsbetriebs Hasag Hugo Schneider AG. In dem Werk, das Panzerfäuste produzierte, mussten die Häftlinge schuften. Ab 1944 nutzte die SS das Gebäude. Hier war unter anderem die Telefonzentrale untergebracht.

Nun beherbergt die Steinbaracke eine Ausstellung. Zur Eröffnung kann sie von 10.30 bis 12 Uhr besichtigt werden. Für 12 bis 13 Uhr sind Gespräche mit Zeitzeugen vorgesehen. Außerdem sind Führungen im weitläufigen Außengelände geplant. Wer künftig hinein will oder an einer Führung teilnehmen möchte, muss sich vorher anmelden. Der Eintritt ist kostenlos. Der Betreiberverein Gedenkstätte KZ-Außenlager Schlieben-Berga freut sich allerdings über Spenden. Schließlich gibt es noch viel zu tun.

Die Geschichte des Lagers und vor allem seine Vorgeschichte soll noch besser erforscht werden, wünscht sich der Vereinsvorsitzende Uwe Dannhauer. Er geriet vor Jahren zufällig an das Thema. Der heute 54-Jährige arbeitete früher als Zivilbeschäftigter der NVA und später der Bundeswehr auf dem Gelände. Bei der Auflösung des Standortes fielen ihm alte Akten in die Hände. Er stellte die Dokumente und außerdem Fotos für Buchveröffentlichungen zur Verfügung.

Ende 1944/Anfang 1945 befanden sich im Außenlager Hasag-Schlieben 3500 KZ-Häftlinge, erläutert Harry Stein von der Gedenkstätte Buchenwald. Zu diesem Zeitpunkt sei es nach Ohrdruf mit 10 000 Häftlingen, Hasag-Leipzig mit 5000 und Langenstein-Zwieberge mit 3600 das viertgrößte Außenlager gewesen. Insgesamt verfügte Buchenwald zwischen 1937 und 1945 über 136 Außenlager, von denen Dora bei Nordhausen das größte war, bevor es im Oktober 1944 zum KZ Mittelbau wurde.

Der Lagerkommandant von Schlieben-Berga sei bei Kriegsende spurlos verschwunden, erzählt Vereinschef Dannhauer. Ein Aufseher sei 1948 zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Deutsche Flüchtlinge, Vertriebene und Umsiedler aus dem Osten bezogen die Baracken, die bis heute bewohnt sind. Auch Dannhauer selbst lebt in einer solchen Unterkunft.

Nach Informationen im Internetlexikon wikipedia.de brachte die SS am 19. Juli 1944 aus dem KZ Ravensbrück 998 Frauen nach Berga. In der Mehrzahl habe es sich um Angehörige der Volksgruppe der Sinti gehandelt. Die Frauen bezogen Baracken, in denen zuvor Kriegsgefangene und Hasag-Beschäftigte lebten. Am 14. August folgten 1387 jüdische Männer aus dem KZ Buchenwald. Die Häftlinge mussten hart Akkord arbeiten, um die geforderten 1,5 Millionen Panzerfäuste monatlich zu schaffen, heißt es. Die bei der Hasag angestellten Meister erhielten Prämien, wenn die Norm überboten wurde. Antreiberei, Hunger, Krankheiten und Unfälle forderten Opfer. Kapos und SS-Leute ermordeten Häftlinge. Es soll mindestens 185 Tote gegeben haben, nach anderen Quellen 217.

Eine knappe Seite zu Schlieben-Berga findet sich im Konzept zur Erinnerungskultur im Land Brandenburg. Ausgegeben wurde das Papier vor zwei Jahren – noch in der Amtszeit der damaligen Kulturministerin Johanna Wanka (CDU). Das Konzept war sehr umstritten, weil es die Zeit von 1933 bis 1990 zusammen behandelte und weil der Entwurf Fehler enthielt.

Im Oktober 1944 zerstörte eine Explosion die Hasag-Fabrik. 98 Häftlinge kamen dabei ums Leben. »Die Ursache der Explosion – Sabotage, Unfall oder alliierter Luftangriff – konnte nicht eindeutig geklärt werden«, steht im Konzept. Wenige Tage vor dem Einmarsch der Roten Armee in Schlieben verließen zwei Transporte das Lager. Ihr Ziel sollte das KZ Theresienstadt sein. Am 21. April befreiten sowjetische Soldaten etwa 130 Überlebende.

Außer einigen Ruinen des Munitionswerks einschließlich der relativ gut erhaltenen Abfüllanlage und Bunkern sowie dem SS-Gästehaus »erinnert heute nichts mehr an die Hasag und das Außenlager«, vermerkt das Konzept. Eine Ausschilderung und Informationstafeln erscheinen sinnvoll, fand das Kulturministerium.

Während das Ministerium gerade noch überlegt hatte, handelten einige Anwohner bereits. Im Juni 2009 gründeten sie den Verein. Er zählt jetzt 19 Mitglieder, darunter die Nachkommen von drei Häftlingen. Zwei Überlebende aus Israel sind schon Ehrenmitglieder, zwei französische Widerstandskämpferinnen, die ins Lager verschleppt wurden, sollen es jetzt werden.

Zum Gedenken an die Opfer gebe es seit den 50er Jahren eine Säule auf dem Friedhof, berichtet Dannhauer. Auf dem Lagergelände selbst sei 1963 ein kleines Denkmal errichtet worden. Die neue Gedenkstätte sei möglich geworden, weil die Stadt Schlieben die fast im Originalzustand erhaltene Steinbaracke zur Verfügung stellte. Der Verein richtete das Gebäude her. Das Material, vor allem Farbe, sowie die Tafeln der Ausstellung seien hauptsächlich durch Spenden finanziert worden. Drei von der Arbeitsagentur bezahlte Leute packten mit an. Aus dem Regionalbudget floss Geld für zwei weitere Helfer.

Andreas Fritsche

 

 
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